Donnerstag, 23. Oktober 2008

Eine Frage...

Heute wurde ich gefragt, wie ich, der aus der ehemaligen DDR kommt, mich fühle. Eher als Ostdeutscher oder als Deutscher?

Solche Fragen bringen mich immer durcheinander, da ich stets gewillt bin, eine umfassende, eindeutige und meine Auffassung exakt widerspiegelnde Antwort zu geben. Leider ermöglichen mir die Grenzen der gesprochenen Sprache nicht immer, meine komplexen Gedanken verständlich zu übermitteln.

Also ich konnte nicht wirklich strukturiert antworten. Im Moment denke ich Folgendes:

Ich bin 1986 geboren, d.h. ich habe nicht wirklich eindeutige Erinnerungen an die DDR und das Leben "dort". Der Mauerfall blieb von mir ebenfalls unbemerkt. Ich kann mich noch an Sachen erinnern, wie den Arbeitsplatz meiner Mutter und dass ich mich irgendwann mal gefragt habe, wo eigentlich dieses "2o-Pfennig"- Geldstück geblieben ist. :o)

Den größten Teil meines Lebens bin ich im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen. Für mich gibt es nur ein Deutschland demzufolge. Dennoch -auch wenn man es vielleicht gar nicht will - besteht die Grenze für Viele immer noch in den Köpfen. 40 Jahre getrennte Wege hinterlassen eben Spuren. Es ist ja auch nicht falsch sich der unterschiedlichen Entwicklung bewusst zu sein. Ich finde, dass es gerade diesbezüglich noch relativ viel aufzuarbeiten gibt.

Wogegen ich allergisch reagiere, sind pauschale Urteile und unüberlegte Bemerkungen über die DDR, die "Ossis" und das Leben dort - besonders von Leuten, die noch nie "im Osten" waren und vielleicht lediglich "Goodbye Lenin" und "Das Leben der Anderen" gesehen haben. Es war nicht alles schlecht. Überhaupt bevorzuge ich bei solchen Diskussionen eher das Wort "anders", anstatt "besser" oder "schlechter".

Es mag paradox klingen, aber es berührt mich trotz meiner größtenteils und offiziell „gesamtdeutschen“ Vergangenheit dennoch sehr, wenn sich pauschal über die DDR geäußert wird und die armen, unterdrückten, materiell so schlecht gestellten Leute, die unter der Diktatur leben mussten, erwähnt werden. Könnte mir die DDR nicht eigentlich egal sein? Nein, kann sie nicht. Meine Eltern und Großeltern sind auf dem Gebiet der ehemaligen DDR aufgewachsen. Daher gelingt es mir selbst nur sehr schwer, eine objektive Haltung dazu einzunehmen. Denn leichtfertige Kommentare gehen für mich auch immer gegen meine Familie. Dagegen kann ich mich kaum wehren. Ich meine eben die DDR insofern zu kennen, als dass ich meine Eltern, meine Großeltern und deren Leben und Zeugnisse kenne. Diese Menschen haben mich äußerst signifikant geprägt. Ich bin dort aufgewachsen. Daher wird also auch noch bei mir, das Bedürfnis geweckt, bestimmte Dinge einfach klarzustellen. Für mich ist die DDR eben mehr als nur Stasi, keine Bananen und Mauer!

Ich bin nicht derjenige, der die DDR verteidigen und rechtfertigen will. Natürlich kann und soll das „Rad der Zeit“ nicht zurückgedreht werden. Wir alle profitieren von den angenehmen Seiten der Wiedervereinigung und des sog. Kapitalismus. Es erscheint mir wichtig, zu unterstreichen, dass dennoch nicht alles Gold ist, was glänzt. (Zum Abschweifen schön: Bankenkrise, Heuschrecken-Kapitalismus, Armutsschere, Konten in Liechtenstein, staatliches Eingreifen zur Rettung angeschlagener Kreditinstitute)

Die Aufgabe unserer Generation mag eventuell darin liegen, die Vergangenheit mit Hilfe eines von Vorurteilen freien und konstruktiven Dialogs nicht zu vergessen und sich aber gleichzeitig darum zu bemühen - eben weil wir nur das eine Deutschland kennen - die noch vorhandenen mentalen Mauern zu Fall zu bringen. Doch diese Mauern werden nicht nur durch intensive Aufklärungsarbeit fallen. Wie sollen sich „Ossis“ denn akzeptiert und gleichberechtigt fühlen, wenn beispielweise die Löhne auch fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht angeglichen sind. Ein „Ossi-Lehrer“ verdient zum Beispiel 80% des „Westlohns“… Arbeiter in
Ost-Zweigstellen einer holzverarbeitenden „Westfirma“ arbeiten mehr Stunden pro Woche und bekommen weniger Lohn sowie Urlaub und haben noch nicht einmal das Recht auf einen Betriebsrat. Und meiner Meinung nach gilt das Argument der geringeren Lebenskosten im Osten nicht. Ich lebe seit zwei Jahren in Freiburg und kann mit Sicherheit behaupten, dass Lebensmittel, Benzin und Ölpreise in Ost und West gleich hoch sind.Wie gesagt – ich kann meine Emotionen beim Thema Einheit schlecht zügeln.
Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Ich fühle mich als Deutscher, der sich seiner Wurzeln auf sensible Art und Weise bewusst ist und sich verpflichtet fühlt, die Einheit zu fördern und "überall" herzustellen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Richtig !!! Mal eine weitdenkende präzise Antwort. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich diese Frage nach dem "Ossi-Gefühl" in der heutigen jungen Generation immer weniger stellt und immer weniger Interesse (zumindest hier in Freiburg) findet. Vielleicht weil es ihnen egal ist oder möglicherweise doch immer noch eine Art der Ablehnung gegenüber den "Ossis" in Form von Desinteresse herrscht.